Sonntag, 12. November 2017
Mit Plan vs. Ohne Plan – Im Busch
Stellt euch mal kurz einen Busch vor. Genau. Ein kleiner, dicker Baum.
Und jetzt vergesst genau diese Vorstellung! Denn ein Busch in Neuseeland ist eher ein Wald. Oder ein Dschungel. Ich weiß nicht, warum die Neuseeländer ihre Wälder so nennen, aber es ist so. Und die letzte Woche war ich zwei Mal im Busch.




Ein Mal mit Plan. Wo ich bin. Was für Bäume das sind. Welchen Weg ich gehen muss.
Ein Mal komplett ohne Plan.


Wo sind wir stehen geblieben? Samstag.
Danach kommt Sonntag. Das wissen wir alle. Und überraschender Weise, war das auch letzte Woche der Fall.
Der Tag begann recht entspannt, da ich nach dem Frühstück, erst einmal drei Stunden auf meinem Bett saß und den letzten Beitrag geschrieben habe – Das ganze nimmt mehr Zeit Anspruch als gedacht. Danach wollte ich eigentlich den Nachbar-Vorort Petone besichtigen, aber nach meinem Mittagessen fragte Rob mich, ob ich mit auf einen Spaziergang gehen wollte. Da ich meine Familie besser kennen lernen wollte und frische Luft sich gut anhörte, cancelte ich meine Petone-Pläne und zog mir Sportschuhe an.
Mit dem Buggy im Kofferraum fuhren wir den Berg hoch und kamen dann am „Busch“ an. Schnell wurde mir klar, dass der Sparziergang eher in einer kleinen Wanderung enden würde, doch ich beschwerte mich nicht.
Ich unterhielt mich auf dem Weg viel mit Michelle und Rob warf immer wieder wissenswerte Fakten ein:

„Dieser Teil des 'Busches' ist tatsächlich noch so, wie er in der Zeit der Dinosaurier war“


„Diese Pflanze ist super, da man sie für vieles verwenden kann. Zum Beispiel für Zahnpasta oder zum Kochen oder anstatt eines Kaugummis.“


„Dieser Baum 'wirft' jedes Jahr einen Teil seiner äußersten Schicht ab und so entstehen diese Schichten.“


Ich lernte auch mehr über den 'Glauben' meiner Familie, was sehr interessant war, da man immer wieder sieht, wie unterschiedlich und doch irgendwie gleich jeder glaubt.
Wir kamen dann an einem wirklich kleinen See an und da Artemis sehr sehr gerne mit Wasser spielt, verbrachten wir dort eine Weile.
Da wir bis dahin nur bergab gegangen waren, kam nun ein ziemlicher Aufstieg, bei dem wir drei uns abwechselten, Artemis in seinem Buggy hochzuschieben. War überhaupt nicht anstrengend…

Am Montag startete dann meine erste Woche mit richtiger Arbeit und ich war direkt 7 ½ Stunden mit Mister Artemis alleine, was erstaunlicher Weise wirklich gut klappte. Er hat zwar nicht viel geschlafen, aber ansonsten lief alles gut.
Am Dienstag kam dann aber dafür ein Tag, an dem er überhaupt nicht gut drauf war und Rob sich frei nahm und wir zusammen mit ihm spielten. Artemis muss sich halt immer noch an mich gewöhnen und es kann ja auch nicht alles auf Anhieb klappen.
Am Mittwoch war Michelle auch wieder als Unterstützung da und am sonnigen, warmen Abend hab ich mich zum Lesen in den Park gesetzt.


Am Donnerstag kam Kate von Au Pair Link – die Agentur, mit der die Pearsons zusammen arbeiten – und wir sind nochmal alles durchgegangen, was ich bei meiner Arbeit beachten muss. Danach war ich dann wieder mit Artemis alleine und wir haben Schlamm-Kuchen gebacken, was eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist, was für mich sehr viel mehr Wäsche bedeutet!
Am Freitag haben wir dann tatsächlich Schlamm Muffins gebacken, was natürlich was ganz anderes ist! Als ich keine Lust mehr auf so viel Dreck hatte, hab ich vorgeschlagen, ein Haus zu bauen – riesige Decke über den Tisch, ganz viele Kissen und Kuscheltiere, Bücher, Essen und eine Decke unter den Tisch. Ablenkung ist bei dem Kleinem eh das Mittel zur gegenseitiger Zufriedenheit.

Den Nachmittag hatte ich dann frei, weshalb ich beschloss meinen Plan vom Sonntag in Tat umzusetzen und nach Petone zu fahren. Und da begann mein planloses Abenteuer. Da ich mir vorher keine Gedanken gemacht hatte, was ich dort machen würde und auch nichts von Sehenswürdigkeiten wusste – Rob hatte nur gesagt, dass man dort wundervoll essen könnte –, ging ich einfach meiner Nase hinterher und landete irgendwie am Meer.



Es war nicht das beste Wetter und total windig, aber bekanntlich bin ich eigentlich immer glücklich am Meer und so setzte ich mich hin und laß ein wenig. Danach hab ich mich ein bisschen über den Wharf – was eigentlich nur ein Steg ist – informiert und gesehen, dass man von dort aus mit einer Fähre zu einer Nahe liegenden Insel fahren kann. Natürlich nur am Wochenende vormittags, weshalb ich mir das für den nächsten Tag vornahm. Der Steg war geschlossen, was ich darauf schob, dass die Fähren ja nur am Wochenende fahren, doch man konnte ganz einfach von der Seite drauf klettern, weshalb ich dann von dort aus die Aussicht genoss, Fotos schoss



und dann beschloss, dass es mir langsam zu windig wurde.
Deshalb machte ich mich wieder auf den Weg, meiner Nase hinterher und so endete ich am Rand Petones, wo ein „Busch“ war. Natürlich dachte ich mir – ohne auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, was das für ein „Busch“ ist oder wo ich landen würde – „Rein da“
Zum Glück kam dann kurze Zeit später ein Schild,


auf dem mich eigentlich nur interessierte, dass irgendwo in der Nähe ein Wasserfall war, weshalb ich spontan beschloss wieder eine kleine Wanderung zu machen. Nach circa 10 Metern kamen zwei Schilder: „trockener Weg“ und „nasser Weg“. Natürlich nahm ich den nassen Weg, ohne zu wissen, was das bedeutete. Zum Glück hatte ich meine Docs an.
Der Weg war dann tatsächlich recht nass, da er einfach durch den Bach ging.



Mal wieder war ich erstaunt, wie still es war, obwohl Straßen in der Nähe waren.
Auf meinem Weg traf ich keine Menschenseele, rutschte einmal den halben Berg runter, da ich es eine super Idee fand, Baum-Markierungen zu folgen, neben denen der Boden nicht wirklich fest war und hörte sehr außergewöhnliche Vogelgeräusche – am Samstag hab ich dann heraus gefunden, dass das Tuis waren. Am Ende landete ich an einem Spielplatz (das Kartenbild ist dort entstanden) und als ich dann auf die Straßen gegangen bin, konnte ich über ganz Petone gucken.


Da aber meine Mission war, den Wasserfall zu finden, zu welchem es extra einen Weg gab, der allerdings auf der anderen Seite des Berges unten begann, machte ich mich einfach weiter auf den Weg, natürlich mal wieder meiner Nase hinterher, um den Wasserfall zu finden.
Nachdem ich dreimal einen Weg gegangen, nur um ihn dann wieder zurück zu gehen, hab ich dann tatsächlich irgendwann den Wasserfall gefunden.



Wieder war keine einzige Person in Sicht und ich war einfach nur unfassbar glücklich und hatte endlich das Gefühl, zu reisen. Zu entdecken. Zu erleben. Zu fühlen. Und das war unglaublich. Ich bin dann auch in das Wasserbecken gegangen und hab einfach alles in mich aufgenommen und genossen.



Danach musste ich dann nur noch den Weg raus aus dem „Busch“ finden, was ich erstaunlicher Weise recht gut hingekriegt habe.
Um den Tag ausklinken zu lassen, holte ich mir dann einen Burrito in Petone City, welcher sehr sehr scharf war (ich hätte der Bedienung glauben sollte), fuhr nach Hause und skypte dann erst einmal 2 Stunden mit Mama und Felix.

Für Samstag hatte ich mir wie gesagt vorgenommen, die Fähre zu nehmen, weshalb ich mich späten Morgen wieder auf den Weg nach Petone machte und zu dem Steg ging. Ich hätte mich vielleicht vorher ein bisschen mehr drüber informieren sollen, denn der Wharf ist seit einem Erdbeben letztes Jahr geschlossen und wird nicht mehr angefahren…
Da meine Pläne also somit flach fielen, machte ich einfach einen Sparziergang am Strand, weil das Wetter wunderbar war,


wobei ich dann am „Petone Settlers Museum“ ankam und ja Freunde ich bin reingegangen! Ich bin tatsächlich komplett freiwillig und nüchtern in ein Museum gegangen! Ich glaube ich werde erwachsen…



Und zum Glück hab ich das getan, denn es war wirklich sehr interessant. Man erfuhr Geschichten von Einwohnern, wie sie nach Petone gekommen sind, was sie an Petone schätzen, was den Charme ausmacht und vieles mehr. Dann konnte man sich die Geschichte Neuseelands und der Stadt angucken und erfahren, wie die Siedler überhaupt hier hingekommen sind. Auch die ehemalige Flagge – vorm British Empire – war ausgestellt.


Dann wurde das heutige Leben in Petone und auch ein bisschen die Kultur der Maori erklärt. Auch einheimische Vögel wurden, mit den Geräuschen, die sie machen, vorgestellt. Kiwis, Tuis, Korimako, etc.
Was ich aber besonders interessant fand, war eine Vitrine, in der Einwohner Petones Erinnerungsstücke ausgestellt hatten. Nach einem Monat werden sie ausgetauscht und andere Einwohner erzählen ihre Geschichte mit einem Gegenstand.


Nach dem Museum habe ich etwas gegessen, bin durch die Jackson Street gegangen und habe dort einen Buchladen gefunden, welcher mein Herz ein wenig gestohlen hat. Es ist wie ein Second Hand Laden, nur mit Büchern. Man kann Bücher für sehr wenig Geld kaufen – was hinsichtlich der normalen, enormen Buchpreise Neuseelands perfekt ist – oder seine Bücher verkaufen oder Bücher tauschen. Das ganze ist auf vielleicht 10 Quadratmeter verteilt, man hat das Gefühl jederzeit könnte man von Büchern erschlagen werden, die Böden der Regale hängen durch und am Anfang wird man von einem Opa empfangen, dessen Akzent so stark ist, dass man nur lächeln und nicken kann, da man nichts versteht. Mit anderen Worten: Ich hab mich wohl gefühlt!



Abschließend noch zu dem Battle aus dem Titel: Mit Plan vs Ohne Plan

Ihr habt ja jetzt über meine beiden Ausflüge in den „Busch“ gelesen.
Ich hab mir schon vor meiner Reise immer wenig Gedanken gemacht. Klar musste ich alles Mögliche organisieren – Flug, Krankenkasse, Kreditkarte, Kindergeld, Familie, etc, –, doch ich hab nicht geplant, was ich dann machen werde, wenn ich erst einmal hier bin und Zeit zum Reisen und Entdecken habe. Das lag unter Anderem an meiner Faulheit und dem Stress, welchen die ganze Organisation dann doch mit sich gebracht hat. Ich wurde oft mit einem gewissen Unterton gefragt, was ich mir alles angucken will und ich konnte immer nur „Keine Ahnung“ oder „Das sehe ich dann“, sagen.
Jetzt habe ich den direkten Vergleich zwischen Plan und planlos und ich muss sagen, dass ich es unfassbar cool fand, durch den „Busch“ zu gehen und mir von Rob, der wirklich viel Ahnung hat, anzuhören, was er zu sagen hat und zu verstehen. Es war super, komplett sicher zu sein, wie man wieder zurück kommt und was einen erwarten wird, aber ich muss auch sagen, dass es mir noch einen Tick besser gefallen hat, einfach meinem Gefühl zu folgen und loszugehen. Ich hatte das Gefühl, die Natur zu erfahren, anstatt Fakten über sie zu hören.
Ich weiß, dass man nicht immer so planlos durchs Leben gehen sollte und dass es gefährlich hätte enden können, aber ich will so viele Erfahrungen sammeln wie nur möglich und auf meinem planlosen Weg werde ich bestimmt auch mal hinfallen – wortwörtlich – und mich verlaufen – wortwörtlich – und traurig sein, aber dafür werde ich alles erleben, anstatt vorher schon alles zu wissen und es mir dann nur noch anzugucken.
Und das macht für mich Reisen aus. Riks Reisen halt...

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