Freitag, 22. Januar 2021
Die Verwandlung
Gut eine Woche bin ich jetzt aus der Quarantäne und wie sag ich das jetzt am besten? Ich bin in Finnland angekommen. Man könnte fast sagen (ich tue das auch einfach), ich bin eine waschechte Finnin geworden.

Lasst mich Euch erklären warum:




Ohne Saunieren geht gar nichts mehr:

Vermutlich der Grund, warum die Finnen zu den glücklichsten Völkern der Welt gehören.



Ich erinnere mich noch wage an die Zeit, als Saunieren so gar nichts für mich war. Ja gut, die Zeiten sind sowas von vorbei! Irgendwann hat Ellen mich mal mitgeschleppt und ab da war meine Abneigung Geschichte. Immer mal wieder mit den Mädels einen entspannten Tag in der Sauna verbringen, das war toll. Naja, jetzt ist das Saunieren mindestens jeden zweiten Tag notwendig. In Finnland geht man abends zum Entspannen und Quatschen in die Sauna und so machen wir das jetzt auch immer, es ist irgendwie ne ganz andere Sache als in Deutschland und es ist viel selbstverständlicher.

Am Anfang waren wir noch ein bisschen schüchtern. Mit dem Handtuch fest um den Körper gewickelt sind wir vorsichtig in die Sauna gegangen. Das Handtuch haben wir nur ungern abgelegt, um uns hinzusetzen. Mittlerweile lassen wir das Handtuch vor der Sauna hängen und uns ist alles egal. Waren wir am Anfang noch nur unser kleines vertrautes Grüppchen, laden wir mittlerweile immer mehr Leute zum Treffen in der Sauna ein. Außerdem habe ich das Gefühl, dass die Sauna einer der wenigen Orte ist, an denen Finnen auftauen (haha, was nen Wortwitz). Das Volk ist ja sonst eher als schüchtern und still bekannt und bis jetzt habe ich den Eindruck bestätigt bekommen. Aber nicht in der Sauna, nein! Auf einmal wird man aktiv von Finnen zu einer Konversation eingeladen und alle reden durcheinander. Toll!

Und dann ist da noch das Bier. Während den ersten zwei Durchgängen lassen wir es im Schnee kalt werden und beim dritten Durchgang nehmen wir es dann mit in die Sauna. Das macht man hier so und wir haben das direkt mal übernommen.

Und auch das Kneipen läuft hier ein bisschen anders ab. Die Sauna unseres Studierendendorfs liegt im 9. Stockwerk und wir können aus dem Fenster eines Wintergartens (oder sowas? Ist halt nen Raum, in dem wir uns abkühlen können) aufs Dach klettern. Wie man das so in Finnland erwartet ist das Dach natürlich voller Schnee. Den nimmt man sich dann und reibt sich damit ein - auch dabei beachten wir natürlich, dass wir mit den Körperteilen anfangen, die am weitesten vom Herz entfernt sind. Die ganz Mutigen schmeißen sich einfach splitterfasernackt rein. Als waschechte Finnin habe ich das natürlich auch schon gemacht. War eine Erfahrung...

Was ist Kälte?



"Boah, heute ist es aber warm", war ein Satz, der in unserer Gruppe fiel, als es -5˚C war. Ich hatte keine Mütze auf, keine Handschuhe an und meine Jacke war offen. In diesem Moment ist uns aufgefallen, dass irgendwas anders ist. Naja, wenn man drei Tage vorher -25˚C erlebt hat, kommen einem -5˚C halt warm vor. Fast schon heiß. Immerhin sind es auch 20˚C wärmer. Das ist ja fast, als wäre es plötzlich Sommer geworden...

Ich schlafe übrigens auch hier ohne Probleme mit offenem Fenster - ich will ja keine Migräne bekommen. Allerdings habe ich mir dafür schon einige verwirrte Blicke eingefangen. Heute Nacht hat es auch ein bisschen in mein Zimmer geschneit - machste nichts...

Ach, das bisschen Schnee



Jyväskylä ist eine Fahrrad-Stadt. Hauptsächlich liegt das daran, dass die Bus- und Bahn-Verbindung einfach mega schlecht ist und man mit dem Fahrrad besser und schneller irgendwo hinkommt. Tja, und das halt auch im Winter. Das Bisschen Schnee interessiert hier keinen. So haben wir uns dann am Wochenende direkt Fahrräder besorgt. Ich muss zugeben, in der Hinsicht bin ich noch nicht so ganz Finnin. Ich glaube aber, das liegt an mir, meinem Charakter und meiner generellen Abneigung gegenüber Fahrrädern und nicht an meiner Nationalität... Sag ich jetzt mal einfach so. Ich bin nämlich noch nicht so ganz überzeugt von diesem ganzen Konzept. Hat man dann auch dem einen Abend gemerkt als es, während wir in der Bar waren, extrem viel geschneit hat und wir dann unser Fahrrad durch den Schnee schieben mussten. Das ist natürlich noch anstrengender, als einfach nur durch den Schnee zu stiefeln. Trotzdem habe ich das Fahrrad und fahre auch durch den Schnee damit - wenn auch eher aus Gruppenzwang...

Zum Feierabends mal eben auf die Piste





Ähnlich wie bei dem Saunieren steht es ums Ski-Fahren. Während auch das für die meisten Deutschen nur als längeres Event möglich ist, ist es für die Leute in Jyväskylä mal eben eine Aktivität nach dem Feierabend. Dann fährt man drei Stunden die zugegeben sehr einfache Piste runter und schon ist gut. Dabei wird es natürlich dunkel, denn hell ist es hier ja selten, aber mit Scheinwerfern ist das alles kein Problem und sieht wirklich sehr schön aus.





Außerdem hatte ich mir noch im Second-Hand-Shop einen grandiosen Ski-Anzug gekauft, damit mich auch im Dunkeln jeder sieht. Die Piste ist echt auch nicht für mehr als 3 Stunden ausgelegt, denn irgendwann wird sie auch langweilig. Ich war aber trotzdem einfach nur froh, es überhaupt machen zu können.





Suomen kieli (die finnische Sprache)



Man möchte meinen, eine:n Finn:in mache auch die Sprache aus. Widersprechen möchte ich dem nicht, für mich machen es aber viel mehr die Einstellung und die Handlungen (s.o.) aus. Finnisch hört sich für mich noch immer wie Chinesisch an. Ich weiß auch nicht, ob sich das noch ändern wird. Ich bin aber extrem gut darin "Kiitos" (Kitosch ausgesprochen) zu sagen. Naja, zumindest wenn ich jedes Mal vorher Ben frage, was Danke nochmal heißt. Die Aussprache ist aber natürlich grandios... quasi.

Gut, dass im Februar mein Survival-Finnisch-Kurs anfängt...

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